Reimer Andresen führte das Unternehmen von 1976 bis 2012. Ein Gespräch.
70 Jahre Beckerbillett
Wenige Monate nach Kriegsende erhielten die wenigen wieder hergestellten Hamburger Lichtspielhäuser von der britischen Besatzungsmacht nach und nach Spielerlaubnis und durften den Kinobetrieb wieder eröffnen. Dies war die Geburtstunde von Beckerbillett, Hamburg. Wir sprechen mit unserem Beiratsvorsitzenden Reimer Andresen, von 1976 bis 2012 Geschäftsführer des Unternehmens.
Hamburg, 05.10.2017
BillettNews: Die Urzelle Ihres Unternehmens war ja die bereits 1892 gegründete Buchdruckerei Hugo Becker. Was hat Ihren Vater 1947 dazu bewogen, Beckerbillett zu gründen, als Spezialhersteller von Eintrittskarten?
Reimer Andresen: Nun ja, die ersten Kinokarten waren klassische Platzkarten für den Vorverkauf, die mit ein bisschen Übung eigentlich von jeder Druckerei hergestellt werden konnten. Zusammen mit einem Druckfachmann aus Berlin wurde dann die Idee einer speziellen Halbrotationsmaschine geboren, mit der man Rollenbilletts erheblich schneller herstellen konnte. Nachdem diese Maschine gebaut war, wurde zusammen mit dem Kollegen aus Berlin für die Herstellung und Vermarktung von Rollenbilletts Beckerbillett gegründet.
BillettNews: Als Hersteller von Rollenbilletts wurden Sie schnell zum Marktführer in Deutschland. Rollenbilletts braucht heute keiner mehr, oder?
Reimer Andresen: Im Großen und Ganzen stimmt das. Interessanter Weise gibt es aber auch heute noch Nachfrage nach Rollenbilletts. Vor allem an kleine Museen, Bäder oder auch Freizeitparks sowie für gelegentliche Veranstaltungen liefern wir für die tägliche Kassenabrechnung immer noch Rollenbilletts. In der heutigen Zeit eigentlich ein Kuriosum, aber ein sehr sympathisches.
BillettNews: Beckerbillett ist heute ein technologisch führendes Unternehmen, zu dem nicht nur eine der modernsten Rollenoffsetdruckereien für den Ticketdruck gehört, sondern auch ein Softwarehaus mit erfolgreichen Systemen für die Verwaltung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Hinzu kommt eine leistungsstarke Abteilung für Hardware – von der Kasse bis zur Zutrittskontrolle. Was waren die wichtigsten Stationen in dieser Entwicklung?
Reimer Andresen: Es gab weltweit keine Geräte, mit denen man gut gestaltete und vorgedruckte Tickets einfach an der Kasse mit Datum, Preis und Platznummer versehen konnte. Deshalb entwickelten wir einen eigenen Inkjetdrucker, der eine variable Zeile auf das Ticket drucken kann. Mit 3 Karten pro Sekunde ist das bis heute der schnellste Drucker dieser Art auf dem Markt. Zeitgleich, Anfang 1990, entwickelten wir eine elektronische Kasse – TCS Ticket Control System genannt – die vom Handling her ganz einfach war und schnell. Also die richtige Kasse, wenn es darum ging, Warteschlangen zu minimieren und eine gesicherte Kassenabrechnung zu bekommen. Als dann die Touchscreen-Kassen den Markt eroberten, folgten wir dieser Entwicklung sofort und lagen damit im Trend. Die Entwicklung einer eigenen Steuerungs- und Verwaltungssoftware basierte direkt auf den Wünschen von Kunden, die erfolgreich mit unserem neuen Kassensystem gearbeitet haben.
BillettNews: Besonders interessant ist natürlich die zweigleisige Strategie von Beckerbillett als Ticketdruckerei und, seit 2001, als Softwarehaus. Haben Sie vorausgeahnt, wie sich der Markt technologisch entwickeln wird?
Reimer Andresen: Mit der TCS-Kasse und angeschlossenem Drucker waren wir in eine Marktlücke gestoßen. Immer mehr Unternehmen und Organisationen wollten jetzt auch „so schöne Tickets“. Das ging natürlich zu Lasten unserer Rollenbilletts und intern machte schon die Frage „kannibalisieren wir uns selbst“ die Runde. Kurz: das Rollenbillett war „out“ und das ansprechende 4-farbige Ticket war „in“. Am Ende haben wir diese Entwicklung jedoch bewusst vorangetrieben, obwohl wir damals natürlich nicht ahnen konnten, wie schnell sich das Thema „Software“ entwickeln würde.
BillettNews: Offensichtlich wollen Institutionen, die auch den Online-Verkauf von Tickets nutzen, auf gedruckte Tickets nicht verzichten. Wir vermuten, dass dies mit gutem Marketing zu tun hat?
Reimer Andresen: Ja, nicht nur Kinos, Festivalveranstalter oder Freizeitparks nutzen moderne Marketingmethoden, sondern auch hochrangige Museen oder Theater. Das schöne, haptisch ansprechende Ticket, das Vorfreude, Erinnerungen und Emotionen auslöst, bietet da eine Vielzahl von Vorteilen, auf die man nicht verzichten möchte. Als 1993 die Kunsthalle zu Hamburg zu einer Picasso-Ausstellung ein von uns gedrucktes 4-farbiges Picasso- Ticket ausgab, lobte die Presse diese Eintrittskarte und nannte sie „Picasso für die Westentasche“ – ein toller PR-Erfolg und eine richtungsweisende Entwicklung für Beckerbillett.
BillettNews: Nun kommt nicht die Frage, wie wohl die Zukunft von Beckerbillett aussieht, sondern wir bitten um einen Tipp für alle, die in einer Institution für die Verwaltung und damit für das Ticketing verantwortlich zeichnen...
Reimer Andresen: Im Focus all unserer Kunden steht die Zufriedenheit der Besucher. Für Beckerbillett ist es deshalb wichtig – ob beim Ticket, bei der Hardware oder bei unserer Software, immer wieder Lösungen anzubieten, die den Aufwand minimieren und gleichzeitig mithelfen, Besucher „glücklich zu machen“.
Mein Rat ist es deshalb, die Synergien zu nutzen, die Beckerbillett in dieser Weise einzigartig bietet. Wie zum Beispiel die Welterbestätte „Zeche Zollverein“, für die Beckerbillett eine Software für das Besuchermangagement konzipiert hat, die ganz auf die speziellen Bedürfnisse dieser Sehenswürdigkeit zugeschnitten ist. Die haben wir dann partnerschaftlich entwickelt, zu beiderseitigem Nutzen und auch zur Freude der Besucher, die es mögen, wenn alles reibungslos funktioniert.
Fotos (von links nach rechts):
Reimer Andresen, Gesellschafter, Moritz Kästner, Geschäftsführer, Dirk Lehmann, Geschäftführer,
Frank Wegener, Leiter Technik, Marco Frommholz, Leiter Softwareentwicklung, Christoph Immel, Gebietsleitung West.